Die Folgen einer Infektion machen sich nicht nur organisch bemerkbar. Langzeitschäden sind ebenso auf kognitiver, neurologischer und psychischer Ebene zu beobachten und können das Leben Genesener weiterhin beeinträchtigen.
Dass Menschen nach einer überstandenen Grippe nicht augenblicklich geistige und körperliche Höchstleistungen vollbringen können, ist nichts Ungewöhnliches. Der Körper hat sich mit allen Mitteln gegen den Erreger gewehrt, jetzt muss er erst einmal wieder zu Kräften kommen.
Nach einer Covid-19 Erkrankung kommt es jedoch auch Wochen und Monate nach der eigentlichen Genesung zu vielfältigen Symptomen, die teilweise während der Akutphase gar nicht aufgekommen sind. Eine wirkliche Erholung scheint also nicht in Sicht zu sein. Zu den häufigsten körperlichen Symptomen gehören unter anderem:
- Kurzatmigkeit, Luftnot und Husten
- Kopf- und Gliederschmerzen
- Müdigkeit
- Schlafstörungen
- Geruchs- und Geschmacksverlust
- Durchfall
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Zahlreiche Organschädigungen (Nieren, Herz, Bauchspeicheldrüse etc.)
Der ganze Organismus ist betroffen
Es können nicht nur verschiedene Organsysteme betroffen sein. Berichtet wird ebenfalls von neurologischen und psychischen Beeinträchtigungen. Konzentrationsprobleme, Gedächtnisprobleme, eine geringe Aufmerksamkeitsspanne, depressive Verstimmungen und Angstzustände und das Chronische Fatigue-Syndrom, ein geistiger und körperlicher Erschöpfungszustand.
Wer davon ausgeht, nur Betroffene schwerer Verläufe einer Covid-19 Erkrankung hätten anschließend mit einem Post-Covid-Syndrom zu kämpfen, irrt sich. Auch im Anschluss einer milden Symptomatik machen sich Langzeitfolgen bemerkbar, ebenso bei Kindern und Jugendlichen. Bekannt ist, dass Corona als „Multiorganvirus“ eben nicht nur die Atemwege schädigt, sondern auch in andere Organe eindringen kann.
Wissenschaftler vermuten, dass die Erkrankung Entzündungsprozesse sowie eine fehlerhafte Immunreaktion auslösen kann, wodurch sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet.
Die bisherige Forschung zu Langzeitfolgen steht noch in den Startlöchern. Ergebnisse aus bisherigen Studien variieren, betroffen sind schätzungsweise aber zehn bis zwanzig Prozent aller Infizierten. Unter Menschen mit einem komplizierten Verlauf könnten es noch deutlich mehr sein. Das weibliche Geschlecht sowie Übergewicht scheinen weitere Faktoren sein, die ein Long-Covid-Syndrom wahrscheinlicher machen.
In Großbritannien wurden im Jahr 2020 Corona Patienten und Patientinnen über Monate hinweg regelmäßig zu ihren Symptomen befragt. Über langanhaltende Beschwerden wurde von 28 Tagen (13.3%) bis hin zu drei Monaten (2.3%) berichtet. Eine weitere britische Untersuchung hat ergeben, dass fast ein Drittel der Covid-19 Erkrankten sogar sechs Monate nach der eigentlichen Genesung noch unter neurologischen und psychischen Problemen leiden, darunter Angststörungen, affektive Auffälligkeiten sowie Substanzmissbrauch.
Auch nach der SARS-Pandemie im Jahr 2003 gaben 60% der Befragten an, ein Jahr nach der Infektion noch durch unterschiedliche Symptome beeinträchtigt zu sein, 40% sogar noch 4 Jahre später.
Inwiefern eine Infektion mit dem Coronavirus tatsächlich psychische Erkrankungen auslösen kann, ist noch nicht geklärt, denn dazu gibt es das Virus noch nicht lange genug. Unumstritten ist aber, dass die Einschränkungen jeglicher Art den Gemütszustand stark beeinträchtigen können. Stellen Sie sich nun vor, Sie könnten im Anschluss an Ihre Infektion aufgrund der Spätfolgen nicht mal mehr Ihrem Beruf oder dem geliebten Sport nachgehen, um einen Ausgleich zu der ohnehin kräftezehrenden sozialen Isolation zu schaffen. Hinzu kommen Angst und Ungewissheit, wann und ob sich der Körper zeitnah erholen wird.
Wenn die Erkrankung traumatisiert
Wochenlang isoliert zu sein, nur noch schwer Luft zu bekommen, vielleicht sogar beatmet zu werden gepaart mit der Ungewissheit über das neuartige Virus; für einige Infizierte stellt die Erkrankung auch bei mildem Verlauf ein Trauma dar, welches Betroffene als lebensbedrohlich empfunden haben. Erinnerungen an die Zeit während der Behandlung und Isolation kommen hoch und lösen große Angst aus. Das Gefühl, keine Kontrolle mehr über den eigenen Körper zu haben und den eigenen körperlichen Signalen wie Herzschlag und Atmung nicht mehr trauen zu können, versetzt ehemals Erkrankte in Panik.
Traumafolgestörungen wie eine posttraumatische Belastungsstörung, aber auch Depressionen und Angststörungen können als Folge auftreten. Bei der PTBS kommt es beispielsweise zu sogenannten „Flashbacks“, also plötzlich auftretende Erinnerungen an das traumatische Ereignis. Präsent ist natürlich auch die ständige Angst vor einer erneuten Ansteckung. Körper und Geist befinden sich in einem Wechsel zwischen totaler Erschöpfung und Dauererregung.
Was hält die Zukunft für uns bereit?
Wie viele Menschen tatsächlich mit einem Post-Covid-Syndrom zu kämpfen haben, wird sich im Laufe der Zeit herausstellen. Natürlich kommt es auch darauf an, wie sich das Infektionsgeschehen grundsätzlich entwickelt. Für die Forschenden ist es wichtig, die Ursachen und mögliche Risikofaktoren für die Entwicklung von Spätfolgen festzustellen, damit so früh wie möglich ein größeres Ausmaß an längerfristigen Beeinträchtigungen verhindert werden kann.
Sollten Sie eine Infektion überstanden, aber dennoch körperlich und psychisch nicht wieder fit sein, sind Sie damit nicht alleine. Das Phänomen Long-Covid erhält nach und nach mehr Aufmerksamkeit und bereits jetzt gibt es verschiedene Hilfsangebote, die Sie in Anspruch nehmen können. Insbesondere psychosomatische Kliniken betrachten Sie als Menschen ganzheitlich und nehmen sowohl auf Ihre körperlichen, als auch psychischen Beschwerden Bezug, was im Falle des Post-Covid-Syndroms für eine vollständige Genesung äußerst relevant ist.
Wichtig ist vor allen Dingen eins: gewähren Sie Ihrem Körper die Ruhe, die er für die Genesung benötigt.