Der Spruch „Zeit heilt alle Wunden“ lässt sich kaum auf schwere traumatische Erfahrungen übertragen. Einige Beschwerden können sogar erst Jahre später auftreten.
Ein traumatisierendes Ereignis muss nicht zwangsweise „am eigenen Leib“ durchlebt worden sein. Auch Beobachtungen und Erzählungen von psychischen und körperlichen Extremsituationen können für Menschen ein Trauma darstellen. Im Allgemeinen kennzeichnen Todesbedrohungen, schlimme Verletzungen und sexuelle Gewalt bei sich oder einer anderen Person traumatische Erfahrungen.
Die Traumatisierung erfolgt also durch äußere Einflüsse und unterscheidet sich in ihrer Dauer (Trauma-Typ I/ Trauma-Typ II) und dahingehend, ob es sich um einen Zufall oder eine bewusste Handlung einer anderen Person oder Gruppe handelt. Einige Beispiele für mögliche Traumata sind:
- (Verkehrs-)Unfälle
- Naturkatastrophen
- Schwere Erkrankungen
- Verlust einer nahestehenden Person
- Geiselnahme
- Krieg und Flucht
- Körperliche oder emotionale Vernachlässigung
- Körperlicher/psychischer Missbrauch
Schwere traumatische Erfahrungen nach Typ II (z.B. sexueller Missbrauch) machen die Entwicklung einer PTBS und der Bandbreite der verschiedenen Symptome wahrscheinlicher.
Schreck, lass nach?
Ein schockartiger Zustand und Störungen in der Wahrnehmung sind keine ungewöhnlichen Reaktionen auf ein traumatisches Ereignis. Es handelt sich vielmehr um eine Art Schutzmechanismus, da Körper und Psyche mit der Bewältigung der Extremsituation überfordert sind und zunächst keine alternativen Handlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Der Mensch wird sozusagen kurz von sich und der Umwelt abgekoppelt.
Auch gedrückte Stimmung, Rückzug, Schlaflosigkeit und schmerzliche Erinnerungen können Tage und Wochen nach dem Erlebnis auftreten. Innerhalb des ersten Monats spricht man von einer akuten Belastungsreaktion. Ist die Psyche so sehr geschädigt, dass die Symptome auch über einen Monat hinweg nach dem Trauma bestehen bleiben, kann das ein Anzeichen für die Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung sein.
Wiedererleben
Sogenannte „Flashbacks“ überkommen Betroffene aus heiterem Himmel. Quälende Erinnerungen und auch Alpträume fühlen sich so echt an, als würde das traumatische Ereignis noch einmal durchlebt werden. Auch die Begegnung mit Reizen oder Situationen, die an das Trauma erinnern, lösen heftige körperliche und psychische Reaktionen aus. Wann es zu diesen Intrusionen kommt, ist jedoch nicht immer absehbar, was für Betroffene sehr beängstigend ist und zu einem enormen Leidensdruck führt.
Vermeidungsverhalten
Handelt es sich bei dem erlebten Trauma beispielsweise um einen Banküberfall, könnte es sein, dass die betroffene Person Banken oder vielleicht auch große Gebäude meidet. Eine Konfrontation ist sehr angstbehaftet und führt nicht selten zu einem Wiedererleben. Doch nicht nur Objekte, Geräusche, Gerüche oder Situationen, die zeitlich und örtlich mit dem Ereignis in Verbindung stehen, werden von Betroffenen gemieden. Auch Gedanken und Gefühle können verdrängt werden, um sich vor schmerzlichen Erinnerungen zu schützen. Typisch ist unter anderem das „Nicht-drüber-reden-wollen“.
Erregungszustand
Nervosität, innere Unruhe, eine „kurze Zündschnur“ und „dünne Haut“, Schlafstörungen und möglicherweise selbstverletzendes Verhalten sind weitere Symptome einer PTBS. Der Körper befindet sich nach wie vor in Alarmbereitschaft, auch wenn das Trauma überstanden ist.
Stimmungsänderung
Nach einem durchlebten Trauma kommen häufig Schuld- und Schamgefühle auf, die Stimmung ist dauerhaft gedrückt oder emotionale Leere kennzeichnet die Gefühlswelt. Selbstvorwürfe und Misstrauen in die Welt und andere Personen sind verzerrte Kognitionen, die sich auf das Trauma, seine Ursachen und Folgen beziehen und den negativen Affekt verstärken. Bei zusätzlichen dissoziativen Symptomen, Identitäts- und Persönlichkeitsstörungen, somatischen Beschwerden und einer gestörten Affekt- und Impulsregulation, wird von einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen.
Wann entwickelt jemand eine PTBS?
Ein und dasselbe Ereignis kann bei verschiedenen Personen verschiedene (langfristige) Reaktionen auslösen. Die Schwere und Dauer des Traumas sind zwar nicht unbedeutend, jedoch spielen noch weitere Faktoren eine entscheidende Rolle dabei, ob jemand eine Traumafolgestörung entwickelt und ob diese aufrechterhalten wird.
Eine hohe psychische Widerstandskraft sowie ein sicheres und unterstützendes soziales Umfeld können einen Menschen davor schützen, langfristig mit heftigen Folgen zu kämpfen zu haben. Hinderlich sind dagegen vorangegangene Traumata, dissoziative Zustände während des Traumas, verzerrte Kognitionen und Schuldgefühle, Vermeidungsverhalten und sozialer Rückzug.
Symptome & Ursachen der PTBS behandeln
Posttraumatische Belastungsstörungen lassen sich mit professioneller Unterstützung in der Regel gut behandeln. Die Traumatherapie knüpft an mehreren Stellen an, um sowohl die Symptome zu reduzieren, als auch die aufrechterhaltenden Faktoren zu identifizieren:
- Konfrontation mit schmerzenden Erinnerungen
- Kognitive Therapie
- Abbau von Vermeidungsverhalten
- Adjuvante Therapien und Pharmakotherapie
Traumakonfrontation
Ein Trauma stellt für Betroffene einen enormen Kontrollverlust dar. Auch die plötzlich auftretenden Flashbacks entziehen sich jeglicher Kontrolle und machen eine optimistische, auf die Gegenwart und Zukunft gerichtete Lebensführung kaum möglich. Im Rahmen der traumafokussierten Psychotherapie wird insbesondere durch In-sensu-Konfrontation (in der Vorstellung) versucht, die Geschehnisse neu zu ordnen, in die Biografie einzubetten und Schritt für Schritt eine Reduktion der Angst zu erzeugen. Dies geschieht z.B. durch Narrative Exposure Therapy, Cognitive Processing Therapy & EMDR.
Kognitive Therapie
Wie denkt eine betroffene Person nach dem überstandenen Trauma über die Geschehnisse, über sich und über die Welt? Kognitive Elemente nehmen die individuellen Bewertungen und Interpretationen in den Fokus. Scham- und Schuldgefühle und ein zerbrochenes Vertrauen in Personen, zwischenmenschliche Beziehungen und die Umwelt können so modifiziert werden.
Abbau von Vermeidung
Gedanken und sonstige Reize, die mit einem traumatischen Ereignis in Verbindung stehen, werden häufig gemieden. Es ist ein Versuch, sich vor heftigen Erinnerungen und Gefühlen zu bewahren. Auf lange Sicht werden die Symptome der PTBS dadurch jedoch aufrechterhalten, außerdem erschwert es die Teilhabe am sozialen Leben, wenn Kommunikation und sonstige Aktivitäten aus Angst reduziert oder vollständig gemieden werden.
Adjuvante Therapien
Kunst- und Musiktherapie, Meditation und Atemübungen sowie Gruppenangebote können die gängigen Methoden unterstützen. Bei starken Schlafstörungen oder Erregungszuständen kann nach individueller Absprache die Vergabe von Medikamenten hilfreich sein.
Wenn Sie sich von einem schlimmen Ereignis nicht erholen und „nichts mehr ist, wie es einmal war“, suchen Sie sich professionelle Hilfe! Die Vorstellung, sich noch einmal mit dem Erlebten auseinandersetzen zu müssen, mag beunruhigend klingen. Jedoch ist kompetente Unterstützung die beste Voraussetzung, um wieder ein unbeschwertes Leben genießen zu können. Ein Splitter muss erst gezogen werden, damit die Wunde heilen kann.