Tatsächlich kann in ca. 20% der Fälle keine organische Ursache für die körperlichen Symptome gefunden werden. Die physischen Beschwerden einerseits, sowie die verzweifelte Suche nach einer Ursache andererseits, stellen eine große psychische Belastung dar.
Von psychosomatischen Symptomen wird also dann gesprochen, wenn durch medizinische Untersuchungen keine ausreichende Erklärung für das anhaltende körperliche Leiden der Betroffenen gefunden werden kann. Die Psychosomatik beschäftigt sich mit eben diesen wechselseitigen Zusammenhängen zwischen Körper und Seele. Sie schließt bei der Betrachtung der Ursachen, Aufrechterhaltung und Behandlung von Erkrankungen psychische, biologische, soziale und kulturelle Faktoren mit ein, da sich ein Mensch, ob gesund oder krank, nie im luftleeren Raum befindet.
Psychosomatische Krankheitsbilder
- Herz-Angst-Neurose: Das Herz rast oder stolpert, ohne erkennbare organische Ursache. Jeder Anstieg des Pulses, zum Beispiel beim Treppensteigen, wird als Zeichen für einen bevorstehenden Herzinfarkt gedeutet. Häufig wird körperliche Aktivität dann auf ein Minimum reduziert, wodurch das Herz bereits bei kleinen Anstrengungen anfängt zu rasen.
- Reizdarmsyndrom: Von einem Reizdarmsyndrom wird gesprochen, wenn unterschiedliche Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Völlegefühl oder Verstopfungen über einen längeren Zeitraum vorkommen. Die funktionelle Störung ist ungefährlich, beeinträchtigt das Leben der Betroffenen aber immens.
- Chronische Schmerzen: Im Gegensatz zu akuten Schmerzen, bei denen ein konkreter Auslöser vorangegangen ist, bestehen chronische Schmerzen länger und sind nicht (mehr) auf eine körperliche Ursache zurückzuführen. Am häufigsten treten sie in Kopf, Rücken, Gelenken und Muskeln auf; sie können aber auch unspezifisch sein.
- Tinnitus: Sausen, Pfeifen, Rauschen und Klingeln im Ohr. Ein Tinnitus ist äußerst unangenehm und lässt Betroffenen wortwörtlich keine Ruhe mehr.
Symptome
Die körperlichen Beschwerden treten in sehr individueller Form auf. Mal sind sie klar auf ein Körperteil begrenzt, mal betreffen sie aber auch mehrere Bereiche oder sind nicht eindeutig zuzuordnen.
Diese Symptome stehen häufig im Zusammenhang mit psychosomatischen Erkrankungen:
- Brust,- Kopf und Rückenschmerzen
- Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung, Sodbrennen oder Blähungen
- Herz-Kreislaufprobleme wie Schwindel und Herzrasen
- Tinnitus
- Allgemeine Erschöpfungszustände
- Schlafstörungen
- Sexualstörungen
Ursachen
Dass der Blutdruck steigt, wenn wir uns ärgern, ist erstmal eine ganz normal körperliche Anpassungsreaktion. Ebenso, dass wir uns nach einer streng durchgetakteten Arbeitswoche nur noch nach unserem Bett sehnen. Bei langanhaltender Belastung wie beruflichem oder privatem Stress, Trauer nach einem Schicksalsschlag, ungelösten Konflikten, Perfektionsdruck oder auch Traumata aus der Vergangenheit, gerät unser System aus dem Gleichgewicht und die Symptome chronifizieren sich.
Dauerhaft unter Spannung zu stehen oder über einen längeren Zeitraum heftige Emotionen zu erleben bedeutet für den Körper eine enorme Herausforderung, die schließlich zu Krankheiten führen kann. Unangenehme Gedanken und Emotionen können wir für eine gewisse Zeit verdrängen. Die körperlichen Beschwerden, durch die sie sich anschließend bemerkbar machen, sind jedoch nicht mehr zu ignorieren. Der Körper spiegelt sozusagen die Seele.
Die somatischen Beschwerden führen zu erheblichen Einschränkungen für die Betroffenen. Die Suche nach organischen Ursachen ist frustrierend, der Gedanke, psychische Ursachen könnten (mit)verantwortlich sein, ist anfangs jedoch für viele befremdlich. Bei einigen entstehen Ängste, eine bedrohliche Krankheit entwickelt zu haben. Die körperlichen Symptome werden ständig beobachtet und analysiert, wodurch erneut Stress entsteht. Häufig ist auch der eigene soziale Rückzug bei psychosomatischen Beschwerden präsent.
Arbeits- und Freizeitaktivitäten werden heruntergeschraubt, weil die Symptome es nicht anders zulassen, oder aber, weil die Betroffenen die Sorge haben, Ihren Körper zusätzlich zu belasten. Diese Dynamiken sind ein Teufelskreis, verdeutlichen aber den Zusammenhang psychischer, sozialer und körperlicher Aspekte, der für die Therapie psychosomatischer Erkrankungen eine zentrale Bedeutung hat.
Machen Sie sich klar:
Sie sind weder verrückt noch stellt sich bei Ihren körperlichen Beschwerden eine Schuldfrage. Die Symptome sind real, unangenehm und bedeuten Einschränkungen in vielerlei Hinsicht. Dass auch psychische Ursachen hinter Ihrem Leiden stecken könnten, kann vielmehr als Chance gesehen werden, das Problem „bei der Wurzel“ zu packen.
Bewegung
Ob ein Spaziergang in der Natur, Dehnübungen zu Hause oder mit dem Fahrrad zum Einkaufen, es muss nicht unbedingt ein schweißtreibendes Sportprogramm sein. Dennoch: Unser Körper braucht Bewegung. Neben zahlreichen körperlichen Vorteilen kann Bewegung das Stresslevel senken und für einen inneren Ausgleich sorgen. Zudem erleben Sie sich selbst als aktiv und leistungsfähig.
Kontakte
Als soziale Wesen sind wir auf den Kontakt mit unseren Mitmenschen angewiesen. Die Teilhabe am sozialen Leben stärkt unser Zugehörigkeitsgefühl und unser Selbstbild, außerdem stellen Kontakte eine wichtige Ressource in der Stressbewältigung dar. Wenn Sie den Eindruck haben, der Austausch mit Gleichgesinnten könnte Ihnen helfen, bestehen in vielen Städten verschiedene Selbsthilfegruppen als Angebot zum Dialog. Was zunächst Überwindung kostet, kann langfristig ein hilfreicher Gedankenaustausch sein.
Selbstbeobachtung
Wenn absehbar ist, wann eine stressige Zeit auf Sie zukommen wird, überlegen Sie vorab, was Ihnen einen Ausgleich schaffen könnte. Reflektieren Sie: Welche Situationen waren in der Vergangenheit eine Herausforderung für mich? Was hätte mir in dieser Zeit geholfen? Wobei kann ich gut abschalten?
Entspannung
Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen sind prima in den Alltag zu integrieren, da sie nicht viel Zeit in Anspruch nehmen müssen. Ist Ihr Körper die meiste Zeit über angespannt, können beispielsweise Atemübungen helfen, den Puls zu senken und die Aufmerksamkeit für einen Moment lang weg vom Alltagstrubel zu lenken. Zahlreiche Apps oder Videos aus dem Internet enthalten gute Anleitungen, die Sie nach und nach im Alltag etablieren können.
Haben Sie das Gefühl, durch Ihre Beschwerden dermaßen stark eingeschränkt zu sein, dass Sie den beruflichen und privaten Alltag nicht mehr bewältigen können? Neben Haus- und Fachärzten sind Psychosomatische Kliniken ebenso eine nächste mögliche Anlaufstelle. Die Behandlung folgt hier meist einem ganzheitlichen Konzept, das individuell auf Ihre Symptome und Bedürfnisse abgestimmt wird. Fern ab vom Alltagstrubel können Sie sich die Zeit nehmen, Ihren Problemen genauer auf den Grund zu gehen und gemeinsam mit den behandelnden Therapeuten und Therapeutinnen die Ursachen für Ihr Leiden zu bearbeiten, neuen Mut und neue Kraft zu schöpfen. Der stationäre Aufenthalt ist für viele Betroffene zunächst mit Sorgen und Ängsten verbunden.
Vielleicht nimmt Ihnen die folgende Übersicht der üblichen Therapiemöglichkeiten bei psychosomatischen Erkrankungen Ihre ersten Bedenken und weist Ihnen ein wenig die Richtung:
- Psychotherapie: In Einzelgesprächen werden Ihren aktuellen Herausforderungen, den Ursachen Ihrer Beschwerden, aber auch Ihren Potenzialen und Bewältigungsmöglichkeiten genauer auf den Grund gegangen.
- Sporttherapie: Angepasst an Ihr persönliches Belastungsniveau und Ihre Vorlieben wird ein individueller Trainingsplan erstellt, der Sie wieder in Ihre Kraft kommen lässt.
- Physiotherapie: Gerade bei Verspannungen und Schmerzen helfen physiotherapeutische Anwendung, in Form von Massagen, Atemtherapie oder auch Schwimmen, den Körper und Geist zu entspannen.
- Kunst- und Musiktherapie: Sich kreativ auszuleben und vollkommen mit einer Tätigkeit zu verschmelzen kann dabei helfen, das seelische und körperliche Ungleichgewicht wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.
- Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen: Yoga, Meditation oder Autogenes Training wirken stressreduzierend, was gerade bei psychosomatischen Beschwerden wichtig ist.
- Medikamentöse Therapie: Bei Bedarf kann ergänzend zu anderen Therapieverfahren eine Medikamentenvergabe erfolgen, die an Ihre individuellen psychischen und körperlichen Gegebenheiten angepasst wird.
- Ernährungsberatung: Eine schmackhafte, vollwertige und vor allen Dingen ausgewogene Ernährung trägt zu mehr Wohlbefinden bei.
Scheuen Sie sich nicht, sich Hilfe zu suchen!
Wir wünschen uns oft ein Geheimrezept, vielleicht eine Pille, die man einnimmt, wodurch dann alle Probleme gelöst werden. Das wäre vermutlich der schnellere Weg, doch diese Pille gibt es leider nicht. Scheuen Sie sich also nicht davor, entsprechende Hilfe in Anspruch zu nehmen, denn es geht vor allem darum, langfristig und umfassend an Gesundheit und Freude zu gewinnen und nicht nur kurzfristig Symptome zu reduzieren. Professionelle Unterstützung ist also genau der richtige Weg, wenn die eigenen Ressourcen erschöpft sind!