Viele Angehörige haben mit Schuldgefühlen zu kämpfen. Sie haben Sorge, für die Erkrankung (mit)verantwortlich zu sein oder nicht genug zu tun, um ihm oder ihr zu helfen. Machen Sie sich klar, dass eine Depression eine Krankheit ist, an der niemand die Schuld trägt.
Wenn der Partner/ die Partnerin an Depressionen erkrankt, steht nicht nur für die betroffene Person das Leben auf dem Kopf. Die Symptome der Depression, zu denen Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Gereiztheit und Rückzug gehören, verändern die gesamte Beziehungsdynamik. Gemeinsame Unternehmungen fallen weg, es wird weniger gelacht, Kommunikation und Sexualität werden in Mitleidenschaft gezogen. Betroffene verschließen sich und erscheinen „kalt“ und gefühllos oder stoßen ihre Mitmenschen möglicherweise von sich weg.
Das Paar organisiert das alltägliche Leben und seine Rollen neu, wenn Einkäufe und Wäsche waschen zu herausfordernden Tätigkeiten werden. Hinzu kommen Sorgen um die Zukunft:
- Führt die Depression zu einer Arbeitsunfähigkeit?
- Ist mit Einkommensverlusten zu rechnen?
- Steht die Familienplanung auf der Kippe?
Es ist verständlich, sich mit all dem als Partner:in überfordert zu fühlen.
Was geht in dem Partner / der Partnerin vor? Informieren Sie sich!
Es ist wichtig zu verstehen, dass das veränderte Verhalten und Gefühlsleben des erkrankten Partners / der Partnerin Teile der Symptomatik von Depressionen sind. Das macht die Situation natürlich nicht automatisch besser, aber es kann helfen, das abweisende Verhalten nicht auf sich zu beziehen.
Es ist ratsam, sich über das Krankheitsbild der Depression zu informieren. So wird Missverständnissen vorgebeugt und das Verhalten und die Stimmungen können besser eingeordnet werden. Möglichkeiten, sich zu informieren, sind beispielsweise:
- Gesprächsgruppen für Angehörige
- Beratungsstellen
- Ärzt:innen und Therapeut:innen
- Literatur
- Erfahrungsberichte von Betroffenen selbst
Wenn es die Situation zulässt, haben Sie keine Angst, Ihren Partner / Ihre Partnerin selbst anzusprechen und darum zu bitten, über sein/ihr Erleben zu berichten. Die Verunsicherung ist groß, das ist verständlich. Mit übermäßiger Rücksichtnahme kann allerdings der Eindruck entstehen, dem Betroffenen nichts mehr zuzutrauen. Doch so all ummantelnd eine Depression auch ist:
Betroffene sind mehr als ihre Erkrankung!
Zuhören
Wir wollen uns handlungsfähig fühlen, der Hilflosigkeit entkommen und schnelle Lösungsansätze liefern. Das ist nachvollziehbar und ein natürlicher Impuls, gerade, wenn wir unsere Liebsten leiden sehen. Bei Depressiven kann dieser Versuch allerdings nach hinten losgehen. Sie haben ohnehin mit Schuldgefühlen zu kämpfen. Bekommen Betroffene die Ratschläge nicht umgesetzt, verschlimmern sich diese häufig:
„Ich schaffe gar nichts mehr und bin ein Nichtsnutz.“ Fragen Sie stattdessen, was die Person gerade braucht, geben Sie ihr das Gefühl, für sie da zu sein und sie ernst zu nehmen. Auch wenn Sie das Gesagte teilweise nicht nachvollziehen können, sprechen Sie dem Partner / der Partnerin die Depressionen nicht ab oder reden Sie diese klein.
Geduld
Die Situation ist für alle Beteiligten herausfordernd. Eine Depression kommt selten von heute auf morgen und es würde an ein Wunder grenzen, würde sie innerhalb dieser Zeit wieder verschwinden. Haben Sie also Geduld mit Ihrem Gegenüber. Das ist sogar wörtlich zu verstehen, da motorische Verlangsamung ebenfalls ein Symptom der Depression darstellen kann.
Ihr:e Partner:in ist also weder faul noch egoistisch, noch befindet er oder sie sich freiwillig in diesem Zustand. Haben Sie aber vor allen Dingen Geduld mit sich selbst. Auch Sie dürfen verzweifeln, nicht weiterwissen und an Ihre Grenzen kommen. Das macht Sie nicht zu einem schlechten Menschen, sondern menschlich.
Angebote
Wichtig ist, den erkrankten Partner / die Partnerin zu nichts zu drängen. Machen Sie stattdessen Angebote und bieten Ihre Hilfe an. Vielleicht gibt es Einkäufe zu erledigen oder Termine zu vereinbaren. Manchmal sind es Kleinigkeiten: Öffnen Sie das Fenster oder die Balkontür oder gehen Sie gemeinsam ein paar Schritte um den Block. Sofern noch keine professionelle Unterstützung vorhanden ist, begleiten Sie die betroffene Person zu einem Erstgespräch bei einem Arzt / einer Ärztin oder zu Therapeut:innen, denn auch hierfür fehlen manchmal Hoffnung und Antrieb. Sollte Suizidgefahr bestehen, zögern Sie bitte nicht, umgehend Hilfe zu holen!
Eigene Bedürfnisse
Viele Angehörige fühlen sich schuldig, wenn Sie versuchen, dem eigenen Leben, unabhängig von der Partnerschaft, nachzugehen. Sie wollen die erkrankte Person dadurch nicht zusätzlich herunterziehen. Doch gerade in dieser Ausnahmesituation ist es besonders wichtig, die eigenen Akkus aufzuladen. Pflegen Sie Kontakte, behalten Sie Ihr Hobby bei und suchen sich gegebenenfalls selbst eine Möglichkeit, über die belastenden Umstände zu sprechen.
Partner:innen von Betroffenen bürden sich nicht selten die Rolle des Therapeuten oder der Therapeutin auf, doch das sollten weder Sie noch andere von Ihnen verlangen. Niemandem ist geholfen, auch nicht dem Partner oder der Partnerin, wenn Sie all Ihre Reserven verbrauchen und die Depressionen zu Ihrem Lebensmittelpunkt werden.
Spitzt sich die Situation zu, treten vermehrt Konflikte auf und haben Sie als Paar den Eindruck, sich in einem Teufelskreis zu befinden, ist es ratsam, sich professionelle Hilfe zur Seite zu holen. Ein geschulter und wertfreier Blick von außen nimmt beiden Parteien den Druck, Depression und Beziehung ganz alleine bewerkstelligen zu müssen. Es ist wichtig, dass auch die Sorgen und Ängste der nicht-betroffenen Person ihren Raum bekommen. Sie haben als Paar nicht versagt, nur weil Sie sich externe Unterstützung suchen.
Die professionelle Unterstützung ist vielmehr ein Zeichen von Selbstfürsorge, dem Respektieren eigener Grenzen und dem Versuch, füreinander und nicht gegeneinander zu arbeiten.